Social Media – endet eine Ära?
Wieder gelangweilt TikTok Videos vorbeiflimmern lassen, Insta konsumieren und kurz noch müde bei Facebook und Twitter reinschauen – ist das alles, was von den sozialen Netzwerken geblieben ist?
In den letzten Jahren hat sich die Social-Media-Landschaft dramatisch verändert. Was einst als Plattformen für den Austausch von Ideen und Kommunikation zwischen Menschen begann, hat sich zu einem Meer von kommerziellen Interessen und manipulativen Mechanismen entwickelt.
Inzwischen ist die ursprüngliche Vision, Menschen auf einem Marktplatz der Ideen miteinander zu vernetzen, weitgehend verblasst. Spätestens seit dem Siegeszug von Tiktok dominieren statt echter Interaktion algorithmengesteuerte Inhalte, passives Zuhören und Beobachten. Das Streben nach Aufmerksamkeit und Likes hat den Austausch von authentischen Inhalten verdrängt, während die Plattformen selbst immer mehr zu Werbeagenturen werden, die unsere Aufmerksamkeit verkaufen. Das soziale Netz ist inzwischen heillos kommerzialisiert und an jeder Ecke wird versucht, uns Schrott mit Influencer-Gütesiegel zu verkaufen, Desinformation wird mittlerweile schulterzuckend hingenommen in der Annahme, dass ohnehin der überwältigende Anteil an Inhalten nicht echt ist.
Facebook und Instagram reagieren zunehmend panisch: während sie selber stagnieren, wächst der Konkurrent TikTok schneller denn je. Die eigenen Plattformen erhalten inzwischen von der Konkurrenz kopierte Funktionen. Der Umstieg auf die sogenannte „Discovery Engine“ ist das jüngste Zeichen, dass die Zeiten sich wandeln. Ähnlich wie bei TikTok ist dabei nicht mehr das Beziehungsnetzwerk zwischen den einzelnen Nutzern entscheidend, der Social Graph, stattdessen sollen im Feed vermehrt „unconnected recommendations“ landen.
Kein Wunder, dass viele Kommentatoren deshalb zu dem Schluss kommen, dass sich die Ära der großen Plattformen dem Ende zuneigt. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt liegt nun ein Gefühl in der Luft, dass sich die Art und Weise, wie wir online kommunizieren, fundamental verändern könnte. Vielleicht ist es noch Wunschdenken, aber dezentrale Netzwerke wie Mastodon oder Bluesky geben Anlass zur Hoffnung, dass sich diese interoperablen Angebote durchsetzen. Dann könnten die Nutzer problemlos die Plattform wechseln, ohne damit ihre angesammelten Inhalte und die mühsam angehäuften Follower zu verlieren. Ein großflächig verteiltes Online-Dasein und zunehmender Wettbewerb zwischen neuen Apps und Plattformen bieten dann die Möglichkeit für mehr Selbstermächtigung. Während Netzwerke wie BeReal versuchen, den Geist und die Authentizität der Anfangsjahre zurückzubringen, findet eine Rückbesinnung auf Cliquen und Communities zunehmend in privaten WhatsApp-Gruppen statt, fernab von übermäßigem Marketingeinfluss.
Für die Zukunft gilt: Kreativität übertrumpft Nachahmung. Statt sich auf das Kopieren anderer zu konzentrieren, sollten die Plattformen ihre eigenen Stärken ausbauen. Dabei wird die Idee, Insta Reels als bloße Wiederverwertung von TikTok-Inhalten zu nutzen, langfristig nicht erfolgreich sein. Nachrufe auf Social Media Netzwerke haben eine lange Tradition, verschwinden werden diese aber sicher nicht, das Nutzungsverhalten wird nur einfach anders: Etablierte Plattformen und Funktionen werden vermehrt als Informationsquelle und zur Unterhaltung genutzt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in maßgeschneidertem Content: Eine Einheitslösung funktioniert nicht. Influencer, Content-Ersteller und Marken müssen die verschiedenen Plattformen individuell und entsprechend ihrer Eigenheiten, Kern-, Ziel- und Nutzungsgruppen bedienen und immer einen Blick darauf haben, wo sie ihren Kunden den frühzeitigen Einstieg oder den zur Marke passendsten Auftritt empfehlen können.