Nachdem die Werbebranche in den letzten zwei Jahren von der Corona-Pandemie ordentlich gebeutelt wurde, denken wir in diesen Kriegszeiten vor allem an unsere ukrainischen Kollegen. Der Werbemarkt dort ist durch den Krieg fast vollständig zum Erliegen gekommen.
So bittet zum Beispiel die renommierte Agentur Tabasco aus Kiew international um Aufträge zur Absicherung ihrer Mitarbeitenden, die nicht dauerhaft auf Hilfe von außen angewiesen sein möchten. Die preisgekrönte Kreativagentur Banda, ebenfalls aus Kiew, nutzt die eigene Kreativität, um auf die schlimme Situation vor Ort aufmerksam zu machen und veröffentlicht einen 60-Sekünder auf YouTube. Die für die ukrainische Regierung entwickelte Marke „Ukraine now” sollte eigentlich das moderne Gesicht des Landes zeigen, stattdessen rüttelt sie nun mit Bildern des Krieges auf. Serviceplan, die einzige integriert aufgestellte Agentur Deutschlands, kündigte zunächst an, das Büro in Kiew offenzulassen und die Mitarbeitenden nach Deutschland zu holen, kurz darauf wurde die Agentur doch geschlossen, die meisten Mitarbeitenden hatten da bereits die Stadt verlassen.
Wie aber reagiert die Werbung hierzulande auf den Krieg und wie kann ein guter Weg zwischen Ignoranz, Schweigen und Anbiederung aussehen? Für eine solche Ausnahmesituation gibt es sicher keine Blaupause, wie angemessenes Verhalten aussehen sollte. Edeka zum Beispiel löste in den sozialen Netzwerken einen veritablen Shitstorm aus: Der auf Social Media gepostete Spruch „Freiheit ist ein Lebensmittel”, gestaltet wie eine Markenanzeige, vermengt Eigenwerbung und politische Haltung und erntete dafür jede Menge Kritik.
Die Drogeriemarktkette Rossmann dagegen unterstützte die Menschen in der Ukraine mit Hilfspaketen und verschickte gleichzeitig eine Mitteilung an die Presse: Tue Gutes und rede darüber. Ebenfalls Lob erhielten die Maßnahmen der Deutschen Bahn und einiger Mobilfunkprovider. Die Unternehmen stellten ihre Produkte den Flüchtenden kostenlos zur Verfügung: Bahnfahrten aus Polen, Tschechien und Österreich Richtung Deutschland können von Ukrainern kostenlos genutzt werden, für Mobilfunkverbindungen in die Ukraine fallen keine Gebühren an. Das lädt das Markenimage positiv auf und bleibt in Erinnerung, weil den Worten auch Taten folgen und die politische Haltung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern auch alle damit verbundenen finanziellen Konsequenzen in Kauf genommen werden.
Den Krieg für das eigene Marketing zu nutzen bleibt ein großer Balanceakt. Im Zweifel ist Zurückhaltung angebrachter, als geheuchelte und unauthentische Werbebotschaften oder ein unbedachter Post, der einen Shitstorm auslösen kann.
Übrigens hat etwas verspätet auch Edeka reagiert: In einem Post in den sozialen Medien teilte der Konzern mit, man habe 360 Tonnen an benötigten Produkten wie Konserven, Brot, Trinkwasser, Babynahrung und Hygieneartikel auf den Weg an die ukrainische Grenze gebracht.